Samstag, 15.10.2011 | 01:58 Uhr

Autor: Theresa Brehm

Frankfurter Buchmesse: Der dritte Tag, oder: Erschöpfung und Schoßgebete

Am dritten Tag macht sich schon Müdigkeit breit. Das Hin- und Hergehopse. Das Reden und Blödeln. Am Ende des Tages fahren die Entscheider, bevor morgen die Massen heranstürmen und sich Wikingern gleich in den Kampf um Leseexemplare stürzen. Oder ein mediatives Massensummen im Island-Forum anstimmen?

Das Summen eines Bienenstockes dringt vom Ende der Halle 5 über die weiten Flure. Es kündet vom Highlight des Tages: Der Rockstar ist da! Umberto Eco ist da! Da steht dann die riesige Traube an Menschen mit ihren Smartphones und knipst den aus der Distanz winzigen runden Herrn auf dem Blauen Sofa. Der doch so gewaltig ist. Fälschungen des Auges, Fälschungen der Historie, wer weiß das schon.

Der betagte Josef Joffe führt dann ein ebenso von der literarischen Meute umdrängtes Interview mit Charlotte Roche, die den Markenaufbau à la Roche schon fast wie der gleichnamige Pharmariese vorantreibt (der Diagnostik des Körpers widmen sich ja beide).

Wer aber schafft das sonst, außer diese Mädchenfrau, so scheinbar unschuldig den Interviewer zu entmachten und zugleich wunderbar frivol das Gespräch zu steuern: „Wenn ich von Afterwürmern spreche hört sich das gut an, wenn Sie von Afterwürmern sprechen hört sich das für mich ganz unerhört an. Dann denke ich: Was sagt der denn zu mir?“ Und schließlich die philosophische Erkenntnis: „Wenn das Loch für die Fäkalien und das Loch für den Sex so eng zusammenliegen, kann es keinen Gott geben.“ Da musste dann auch Herr Joffe zugeben: „Das ist doch ein bedeutender Beitrag zum abendändischen Philosophiediskurs.“

Worüber sonst noch auf der Messe geschnattert wird? Na klar, um die Umbrüche in der Verlagswelt, die diesen konservativen Wirtschaftsbereich ja immer erzittern lassen: Print on Demand, Digitalisierung, Ebooks, Social Media, die Aufweichung des Leistungsschutzrechtes (Marina Weisband von der Piratenpartei war da!) und natürlich Self-Publishing mit dem neu ausgelobten Buchpreis. Und diese Leute haben gewonnen:

http://www.epubli.de/specials/schreibwettbewerb/2011/gewinner

Ob die Gewinner freilich mehr verkaufen werden, als der Traumfänger-Verlag mit seiner Indianerliteratur ist die andere Frage. Einmalig bleibt bei diesem die Vermarktung: Eine über und über mit Federn und Perlen behängte Frau führt unermüdlich und stundenlang vor dem kleinen Stand eine Art Kosakentanz auf. Kurioserweise sind die Traumfänger gleich neben dem großen Hanserverlag beheimatet. Die Indianerin hat Weltensammler Trojanow, der da sein Lager aufgeschlagen hat, aber bis jetzt noch nicht verwirren können.

Und während bekuttete Mönche mit ihren Biographien unterm Arm vorbeilaufen und taiwanesische Verleger auf indische Frauen in Saris treffen, denke ich: so ist sie die Buchmesse, so war sie für mich. Toll! Und ich fahre jetzt nach Hause.

 

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Ein Kommentar

  1. Tom Says:

    Treffend wie Du das Roche-Marketing auf den Punkt bringst.

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