Samstag, 15.10.2011 | 00:27 Uhr
Autor: Theresa Brehm
Der zweite Tag ging nahtlos in den dritten über. Dazu aber mehr am Ende (es lohnt sich, bleiben Sie dran!)…
Am Morgen schaue ich bei der Lesung im ARD Forum vorbei: Nina Pauer „Wir haben keine Angst“. Es geht wieder einmal um die Generationenanalyse. „Was soll denn Generation Facebook oder Generation Bionade bitte heißen?“, fragt die souveräne und gleichzeit bodenständig-nette Jungautorin aus dem Hause Fischer. Wir – sprich die um die 30-Jährigen – sind die Angstgeneration. Etikettenverweigerer und Nichtfestleger. Statt die Welt politisch zu verändern – wo soll man denn da ansetzen? – optimieren wir uns selbst. Im Buch gibt es deshalb die Show „Germany ’s next Selbstverwirklicher“. Klingt plakativ und schwer nach Nabelschau mit großem Gestus, dem Charakteristikum der Generationenanalyse. Ich muss jedoch feststellen: Nina Pauer wirkt ohne Plattitüden und Pauken authentisch im Gespräch. Und will auch gar nicht für alle sprechen: Die Kinder der 68er Generation sind‘ s, denen die Angst die Hemmmschuhe anzieht oder zu Marathonläufen im Curriculum Vitae-Wettbewerb antreibt. Dabei drischt sie nicht auf die Hippie-Pädagogik ein, wie so viele neokonservative Abrechnungen der letzten Jahren. Sie sieht beide Seiten. Das ist mal was anderes. Also lesen!
Alle sagen andächtig „schön…“
Selbstbestimmtheit statt Selbstverwirklichung ist das Thema bei Halgrímur Helgasons „Eine Frau bei 1000°“: „Ich möchte einen Termin für eine Einäscherung buchen“, verlangt die Romanhelding Herbjörg beim Bestatter und meint damit ihre eigene. Sonst surft die 80-jährige in ihrer Garage durchs Internet. Ihr Erschaffer, Autor und Künstler Helgason, liegt nach dem Gespräch im Island-Forum ganz im entspannt in einem Sessel, schwärmt von Deutschland („so vibrant!“) und bekennt lakonisch: „Of course, people always ask the same. I have a sheet with 15 answers and use every day 5 of them in my interviews“.
Überhaupt ist der Bereich Island auf der Buchmesse sehr erholsam gestaltet. Durch die dunklen Räume läuft man an riesigen Leinwänden vorbei, die mit Natur- und Stadtaufnahmen bespielt werden. Alle stehen da und staunen und sagen andächtig „schön…..!“ zu den Geysiren und Vulkanen und Kraftwärmekopplungsanlagen. Elektronische Kommunikation ist da verpönt, wie ich merke. Denn als mein Handy surrt, werden mir ganz viele böse Blicke zugeworfen. „SAGAmal!“ hätte da wohl ein bayerischer Isländer ausgerufen.
Geschnattere ums Web 2.0
Geschnattert wird dann bei der Veranstaltung „Social Media – Vom Marketingtool zur Erlösquelle?“ am sogenannten „Hot Spot Digital Relations“, der seltsamerweise in die hinterste Ecke der Halle 6.1 gequetscht ist (die Angst vor dem Neuen!). Über die Geheimnisse erfolgreicher Kommunikation im Web 2.0 wollen aufklären: Martin Meyer-Gossner von „The Strategy Web“, Online-Marketing-Leiter Marko Jung vom C.H.Beck-Verlag und zwei Kollegen aus mir völlig unbekannten Agrar-Verlagen. Was Neues kommt dabei nicht raus. Alle betonen nachdrücklichst wie wichtig das Eingehen auf die Zielgruppe sei und dass man Fehler nicht scheuen darf, sondern immer mal loslegen solle. Okay. Fragen gibt es dann erstmal keine.
„Ich sehe wie eine Sofa aus“
Ganz entspannt wirken dagegen die Frauen. Zumindest wenn sie Elke Heidenreich und Mary Bauermeister heißen und mit überschlagenen Beinen lässig auf dem Pult der Elke Heidenreich-Edition sitzen. Die an Worten reiche Heide spricht mit der Fluxus-Künstlerin Bauermeister über ihren Roman mit dem wunderbaren Titel „Ich hänge im Triolengitter“. Das beschreibt den Kern der Sache: Die Kunst- und Lebensabschnittspartnerschaft von Mary Bauermeister mit dem Komponisten Karl-Heinz Stockhausen, in der sie das literarische Muster der menage à trois in Wirklichkeit lebten und litten. Bevor sich alle Zuhörerinnen auf die Freiexemplare stürzen (die wenigen Männer bleiben eingeschüchtert in der letzten Reihe sitzen), sagt die Autorin noch: „Ich kann Ihnen sagen meine Damen, es gibt keine monogamen Beziehungen. Zumindest habe ich sie nicht erlebt.“ So. Als ich zu Elke Heidenreich bei der Signierung bemerke, sie hätte ihren Überwurf farblich auf das dunkelpinke Buchcover abgestimmt, entgegenet sie: „Ja, ich sehe aus wie ein Sofaüberwurf.“ Das sind die coolen Frauen.
Eckstein bleibt ein Rästel
Und dann machen wir uns schon auf zur Fischerparty und plaudern im Innenhof des Verlagshauses an der Hedderichstraße wie wild drauf los. Ich komme ins Gespräch mit einem trockenhumorigen Tatort-Autoren und mit dem ZEIT-Rätselguru Eckstein. Er ist gar nicht rätselhaft, sondern sehr nett und direkt. Wir sprechen über Kindererziehung. Und Astrid Lindgren. Leider kann ich euch aber nicht das Rätsel um seine wahre Identität enthüllen. Denn ich kriege vom Kellner ein volles Tablett mit Weißwein und Wasser über den Rücken gekippt. Woraus sich ein wunderbar lustiges Gespräch mit Hendrik aus der Personalabteilung der FAZ entwickelt. Wir rätseln nun wiederum gemeinsam, ob wir Roger Willemsen am liebsten „den Rotscher“ oder doch korrekt „Roger“ nennen und einigen uns dann auf „Rocker“. Schließlich springt Herr Willemsen die ganze Zeit wie wild in der Menge herum.
Roger rockt die Menge
Nun wollen wir Froschaugenkönig RDP aber nicht noch einmal im Zirkellauf durch die Menge begegnen und machen uns auf zum ohlala exklusiven Empfang von Joachim Unseld in der Villa in der Lilienthalstraße. Ganz große Versprechungen schwirren da in der Luft, empfangen werden wir erstmal herzlich vom Gastgeber: „Ach ihr wollt euch eh nur gratis besaufen. Na, kommt rein.“ Es folgt ein Schlagabtausch mit Bodo Mrozek auf der Terasse. Bodolos. Ijoma Mangold springt noch munter und in feinstem Zwirn herum und Herr Dr. Unseld baut nun in jedem Satz, den er von seinem Leben erzählt das F-Wort ein. Als guter Gastgeber erklärt er uns noch seine Kunstsammlung. Da dominiert auch die Erotik. Es folgen Schoßgebete. Morgen.
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19.10.2011 um 13:46 Uhr
ich bin auch für Rocker:) Liest sich gut, ich kann mir gut vorstellen wies dort war. Schön!!