Sonntag, 17.07.2011 | 21:23 Uhr
Autor: JosefBordat
Der Sammelband „Global Warming“ von Philipp Wolf und Dietmar Herdt leistet die facettenreiche Analyse eines Phänomens
Dem Klimawandel – so man ihn nicht vollends leugnet – kann man sich auf unterschiedlichen Wegen nähern. Man kann nach dem Anteil des Menschen fragen (und dann nach dessen Verantwortung), man kann technische Lösungen diskutieren, den Blick auf alternative Formen der Energiegewinnung (oder gleich der ganzen „Wirtschaft“) lenken, politische Maßnahmen entwerfen oder sich der mit dem Schlagwort verbundenen Stereotype und Aporien widmen. Der Sammelband Global Warming, herausgegeben von Philipp Wolf und Dietmar Herdt, dokumentiert die Erträge des 5. Oswald-von Nell-Breuning-Symposiums in Rödermark. Er enthält Beiträge zu naturwissenschaftlich-technologischen Fragen des Klimawandels sowie den daraus erwachsenen ethischen, politischen und medialen Perspektiven. Zugleich hinterfragen einige Beiträge aber auch kritisch die Konzeptionierung des Klimawandels als „Megatrend“ und dessen soziale Implikationen, der „Konditionierung“ (Hans von Storch) und „Dramatisierung“ (Peter Weingart). Der Band ruft dabei zu gesundem Realismus auf, jenseits von Ignoranz und Hysterie. Weder sei es richtig, in Panik zu fallen und alles dem neuen Paradigma unterzuordnen, noch sei es gut, vor dem Klimawandel und seinen Folgen die Augen zu verschließen.
Bei den fünf naturwissenschaftlich-technischen Beiträge wird Wert auf Differenzierung gelegt. Volker Mosbrugger und Arne Micheels stellen zu Beginn die entscheidende Fragen nach dem Einfluss des Menschen auf das Klima. Zwar sei der Klimawandel teilweise einer natürlichen Dynamik geschuldet und die Veränderungsprozesse seien zudem von höchster Komplexität, so dass mit Modellrechnungen vorsichtig umzugehen sei, doch daran, dass unserer Verhalten einen Anteil an der Erderwärmung hat, sollte Mosbrugger/Micheels zufolge nicht gezweifelt werden. Auch nicht, dass der Klimawandel massive Probleme mit sich führt. Die Autoren benennen sie (Temperaturerhöhung, Umweltveränderung, Artensterben), und begründen Klimaschutzmaßnahmen auch aus volkswirtschaftlichen Gründen: der Preis, den wir für Vermeidung bzw. Anpassung an die neuen Gegebenheiten zahlen müssen, steigt von Jahr zu Jahr. Will man die hohen zukünftigen Kosten einsparen, muss man jetzt richtig investieren. Deutlich kritischer als Mosbrugger/Micheels äußert sich Hans von Stroch in seinem Beitrag, in dem er die These von anthropogenen Klimawandel auf den Prüfstand stellt. Er wirbt zwar nicht für eine Klimaskepsis, die dazu neigt, die Hände in den Schoß zu legen, doch lehnt er eine Sonderrolle des Klimas im politischen Diskurs ab. Allein durch ohnehin sinnvolle Modernisierung (etwa im Bauwesen) sei dem Problem hinreichend begegnet. In einer Studie über die chemische Industrie zeigt Jörg Rothermel anschließend, dass deren Rolle im Kontext des Klimaschutzes weit positiver ist als angenommen. Dem von Mosbrugger/Micheels angesprochenen Thema „Artensterben“ widmet sich Hubert Weiger. Besonders durch die Geschwindigkeit der Klimaänderung seien viele Arten in ihrem Bestand bedroht, vor allem auch in den Alpen. Klimaschutz sei daher unumgänglich, dürfe aber (finanziell) nicht zu Lasten des Naturschutzes gehen. Den ersten Teil beschließt Franz Alt mit einem Plädoyer für Solarenergie.
Im zweiten Teil gehen die ebenfalls fünf Aufsätze auf die praktischen, im Wesentlichen moralischen und politischen Fragen ein, die sich aus dem Befund des ersten Teils ergeben. Klimawandel wird hier zur Frage der „Gerechtigkeit“ (Lukas H. Meyer) bzw. der „Verantwortung“ (Josef Schuster). Während Meyer sich für ein System der distributiven Gerechtigkeit im Nord-Süd-Konflikt um Emissionsrechte ausspricht, plädiert Schuster – ausgehend von einem weiten Verantwortungsbegriff, der auch die nicht-humane Natur berücksichtigt – für eine „Tugend der Bescheidung“. Zu diesen eher abstrakten moraltheoretischen Näherungen stellt Felix Ekardt einen konkreten 10-Punkte-Plan für den Klimaschutz, der beim globalen Handel mit individuell verbindlichen Emissionsrechten ansetzt, dabei aber über ökonomisch-zweckrationale Nützlichkeitserwägungen hinausgeht und stattdessen vom Gedanken der „Freiheit“ getragen ist, die durch den Klimawandel bedroht werde. Zwei hochinteressante Analysen beschließen den Band: Peter Weingart betrachtet die öffentliche Rezeption wissenschaftlicher Ergebnisse nach deren medialer Verarbeitung. Er zeigt, dass es skeptische Forscher schwer haben, Gehör zu finden, da die Medien im Wesentlichen eine Art „Katastrophenkommunikation“ pflegen. Andererseits verweist er darauf, wie fatal stabilisierend sich Unglaubwürdigkeit durch Übertreibung auf das Problem selbst auswirkt, da die Handlungsbereitschaft sinkt, d. h. die Motivation, dem Problem durch schmerzliche Verhaltensänderung wirksam zu begegnen. Also: Je dramatischer die Folgen beschrieben werden, desto weniger werden sie ernst genommen, mit der Folge, dass sie am Ende tatsächlich so eintreffen. Harald Welzer führt uns die politischen und sozialen Dimensionen dieser Konsequenzen vor Augen: Migration und Revolution, Gewalt und Krieg. Angesichts der Breite der Problempalette mahnt er zu einer holistischen Lösung: Nur eine kulturelle Neubesinnung mit veränderten Verbrauchs- und Mobilitätskonzepten kann uns vor dem Schlimmsten bewahren.
Philipp Wolf und Dietmar Herdt von der Nell-Breuning-Schule Rödermark geben mit ihrem Sammelband Global Warming einen Überblick über unterschiedliche Facetten des Klimadiskurses, wie er in verschiedenen Disziplinen derzeit geführt wird. Interessante Ideen und eine weitgehend angenehme Diktion machen die Beiträge sowohl für den Diskursinsider als auch den interessierten Beobachter gut lesbar. Formal bewegt sich der Band jedoch nur knapp oberhalb des Minimums an Aufwand, also unterhalb dessen, was Fachpublikationen bieten sollten. So fehlen etwa die üblichen Indizes und übergreifende Verzeichnisse, die wissenschaftlichen Apparate – so sie überhaupt vorhanden sind – fallen durch erhebliche Uneinheitlichkeit negativ auf, und auch über die Autoren erfährt man recht wenig. Schade.
Bibliographische Daten:
Philipp Wolf / Dietmar Herdt (Hg.): Global Warming. Ethische und technologische Perspektiven des Klimawandels
Leipzig: Leipziger Universitätsverlag (2009)
156 Seiten, 24,00 Euro
ISBN-13: 978-3865834270
Josef Bordat
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Danke für die Klimawandel-Rezensionen. Auch in meiner täglichen Arbeit als Übersetzerin merke ich, wie das Thema immer weitere Wellen schlägt. Texte, die das Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit nicht erwähnen, werden selten. Ist zu hoffen, dass die Welle nicht abflacht, bevor die Dinge sich wirklich ändern…