Dienstag, 19.01.2016 | 14:07 Uhr
Autor: Andrea Brücken
David Sibbet ist zumindest allen bekannt, die sich mit Change-Management in großen Systemen beschäftigen. Apple und HP profitierten in den vergangenen Jahrzehnten von seiner Arbeit genauso wie verschiedene Stiftungen und gemeinnützige Organisationen. Mit seiner Beratungsfirma The Grove Consultants arbeitet er seit Anfang der 80er Jahre im Bereich Visual Literacy. Kreativität in der Kommunikation sieht David Sibbet als wirkungsvolles Mittel in einer zunehmend komplexer werdenden Welt.
Das Buch “Visual Meetings” erschien 2010 erstmalig und wurde schon im Folgejahr ins Deutsche übersetzt. Gegliedert ist es in fünf Kapitel, deren Inhalte ich kurz vorstellen will.
Zunächst plaudert Sibbet ein bisschen aus dem Nähkästchen und schildert den Ablauf einer Leadership Expedition, die er 1985 für die neue Apple University entwickelte. Schon hier zeigt sich seine Liebe zum Storytelling, die man bei allen visuell Arbeitenden findet. Im Anschluss erläutert er, wie sich aufgrund dieser Erfahrungen bestimmte Muster herauskristallisierten: daß Menschen, die visuell begleitet werden, Prozesse besser nachvollziehen, andere Fragen stellen, Informationen besser speichern und Muster leichter erkennen. Wichtig scheint ihm außerdem, Meetingziele im Vorfeld zu visualisieren, um Teilnahmewilligkeit, Engagement und Interaktion zu fördern.
Schließlich geht er noch darauf ein, dass wir Menschen von Kind an als erstes die visuelle Sprache benutzen und zeigt viele einfache Übungen auf, um diese bei Erwachsenen meist verschütteteten Kenntnisse zu reaktivieren. Ein kleines 1 x 1 an Formen, Linien und Strichmännchen wird zur Verfügung gestellt wie auch Tipps für das Arbeiten an großformatigen Charts und in Notizbüchern. Ergänzt werden diese Techniken durch Methoden zur Gliederung und durch diverse Beispiele für Einsatzszenarien.
Im zweiten Abschnitt geht es zuerst vertiefend um das Aktivieren durch den Beziehungsaufbau zu den Anwesenden und die Rolle des aktiven Zuhörens. Danach folgt ein Kapitel zum visuellen Präsentieren und eins zum Beraten und Verkaufen mittels Visualisierung “auf der selben Tischseite”. Die folgenden beiden Kapitel beschäftigen sich mit dem Einsatz von Haftnotizen, Collage-Techniken und Bildkarten.
Im dritten Abschnitt zieht Sibbet alle Register aus seinem Wissen in der Organisationsberatung und dem Change Management. Es geht im Kern darum, wie man Gruppen dazu bringt, aus Prozessen auch tatsächlich gewinnbringende Erkenntnisse zu ziehen. Dafür stellt er zunächst das Group Graphics Keyboard vor, ein von Grove entwickeltes Tool, dass die “Grammatik der visuellen Sprache” darstellt. Poster, Listen, Gruppen, Raster, Diagramme, Zeichnungen und Mandalas erfüllen in diesem Modell bestimmte Rollen. Danach folgen praktische Anwendungsbeispiele.
Weiter geht es dann mit Techniken wie Mindmapping, visueller Planung, Breakoutgruppen, Galeriespaziergängen, Dokumentationen und Berichten mittels Fotografie sowie Webkonferenzen.
Der vierte Abschnitt geht vor allem auf verschiedene Szenarien ein: Wie fördert man Teamleistung? Wie befeuert man die Entscheidungsfindung? Wie prüft man mit visuellen Mitteln Schritte im Rahmen von Projektmanagement? Wie moderiert man Innovationsprozesse? Welche Anwendungsmöglichkeiten gibt es im Bereich von Schulung und Workshop?
Die Überschrift ist ein kleines bisschen “frech” – auf jeden Fall erhält man hier noch einmal ein gerütteltes Maß an Gründen und “Ermahnungen”, dass man sich selbst gut aus- und weiterbilden beziehungsweise vorbereiten muss, um mit visuellen Techniken zu arbeiten. Enthalten ist in diesem Abschnitt auch der Hinweis auf die Digitale Welt und ihre Möglichkeiten, die ja bereits offensichtlich dazu beitragen, dass sich die moderne Arbeitswelt rasant verändert – und somit auch die Form und Umsetzung von Meetings. Hinweise auf diverse Netzwerke, Literaturvorschläge und ein Glossar schließen das Buch.
Fazit
Das Querformat von 24,0 x 17.0 cm erlaubt ein Layout, in dem der Text “innen” an der Bindekante sitzt während “außen” am Rand Platz für Scribbles, Zeichnungen und Infokästen ist. Die Texte sind gut gegliedert mit Absätzen und Zwischenüberschriften – einzig stört mich die Wahl einer doch sehr kleinen, hauchdünnen Serifen-Schrift, die ich als nicht so angenehm zu lesen empfand.
Inhaltlich ist das Buch rundum gelungen, obwohl ich persönlich auf einige der Erfahrungsgeschichten und viele theoretische Erläuterungen hätte verzichten können. Eine klarere Trennung von Theorie und Praxis hätte ich bevorzugt.
Für das praktische Arbeiten mit dem Buch empfiehlt es sich, gleich Post-it-Streifen an die Stellen zu setzen, die sich mit konkreten Übungen befassen. Man muss das Buch übrigens nicht chronologisch “lesen” sondern kann sich gut die Themen und Methoden heraussuchen, die man selbst gerade braucht.
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David Sibbet: Visuelle Meettings – Meetings und Teamarbeit durch Zeichnungen, Collagen und Ideen-Mapping produktiver gestalten
mitp-Verlag, 1. Auflage, 2011
288 Seiten, 29,95, broschiert
Visuelle Meetings: Meetings und Teamarbeit durch Zeichnungen, Collagen und Ideen-Mapping produktiver gestalten (mitp Business)
Tags: Bücher, coaching, deutsch, meetings, Rezension, Sachbuch, visual literacy, visuell
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