Montag, 04.03.2013 | 12:20 Uhr

Autor: Chris Inken Soppa

Coming up for air – Auftauchen, um Luft zu holen, von George Orwell

Einer meiner persönlichen Klassiker – eben las ich ihn wieder und entdeckte ganz zufällig, dass er vom Diogenes Verlag neu aufgelegt wurde und im März erscheint.

England im Jahr 1939. George Bowling, ein rundlicher Familienvater, gewinnt ein paar Pfund beim Pferderennen und beschließt, mit dem Geld für ein Wochenende an den Ort seiner Kindheit zurückzukehren, um dem Büro-Trott, den Klagen seiner freudlosen Frau und seiner Midlife-Crisis zu entgehen und in Erinnerungen zu schwelgen. Doch das Vorhaben endet enttäuschend. Das einstige Dorf hat sich zur hässlichen Siedlung ausgedehnt und Georges ehemalige Geliebte zur formlosen Matrone, die ihn nicht mal mehr erkennt. Wie ein Fremder, ja, wie ein Parasit fühlt sich George in der einstigen Heimat. Er muss feststellen, seine Vergangenheit ist unwiderruflich vorbei. Die moderne Welt hält andere Dinge für ihn bereit: Vernichtung der Landschaft, Anonymität, industriell verarbeitete Lebensmittel in gesichtslosen, chromglitzernden Gaststätten. Stromlinienförmigkeit ist die neue Eigenschaft alles Modernen, und am stromlinienförmigsten sind die neuen Bomberflugzeuge am Himmel. George erkennt, es gibt kein Entkommen. Völlig frustriert kehrt er in sein noch längst nicht abbezahltes Reihenhaus zurück, hört auf die Vorwürfe der Ehefrau, nimmt seine Beruhigungspillen und wartet auf den unvermeidlichen Krieg.

Im Gegensatz zu „1984“ und „Animal Farm“ ist „Coming up for air“ ein eher unspektakuläres, stilles Buch, das sich in fast proustscher Manier mit der Erinnerung an eine ältere, idyllischere Welt befasst. Doch solche Erinnerungen sind heikel. Sucht man sie wiederzubeleben, können sie unwiderruflich zerstört werden. Der Roman endet mit den ganz realen Anzeichen einer neuen faschistischen Weltordnung – „1984“ ist daraufhin nur noch eine Frage der Zeit.

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