Freitag, 10.08.2007 | 11:02 Uhr
Autor: Serendipity
Ich lade alle Literaturhistoriker ein, uns mal eine gute Übersicht zu den geschichtlich nachgewiesenen Beweggründen und Erfolgsquoten schreibender Bürger in den Blog zu stellen oder auf etwaige Studien hinzuweisen. Im 21igsten Jahrhundert geht es uns zu gut, als dass sich diejenigen, die sich das schreiben einbilden von existentialistischen Ängsten des Brotverdienens abhalten lassen. Im Gegenteil, die Schreibschule hat auch in Deutschland in kleiner und größerer Form ihren Einzug genommen, um junge Träume in Studiengänge und Karrieren zu verwandeln. Es sei weiter darüber gestritten, ob diese Entwicklung unsere Bücherregale bereichert, oder nicht.
In der Süddeutschen Zeitung rezensiert Nico Daniel Schlösser heute das ‚Kulturtagebuch‘*: eine Dokumentation der Tagebücher von Erstsemestlern des Hildesheimer Studiengangs für kreatives Schreiben und Kulturjournalismus.
Dabei kommen die ‚Jung-Genies‘ allerdings nicht rundum gut weg, denn Schlösser fehlt es an Tiefgang in jenem Tagebuch. „Der Leser vermisst, die behauptete Entwicklung ihres Schreibens am Gegenstand selbst nachvollziehen zu können.“ (…) „Es lohnt sich dennoch, weiterzulesen. Denn das ‚Kulturtagebuch‘ berichtet von Druck, Versagensangst, Neid, und Konkurrenz, von Selbstdarstellung, Größenwahn, Wut und Desillusionierung, von Unterstützung, Gemeinschaft und Euphorie.“
… vielleicht eher den Kommilitonen der Fakultät Psychologie zu empfehlen als Schreibinteressierten.
*Süddeutsche Zeitung, Nr. 183, Freitag 10 August 2007, Seite 14; Nico Daniel Schlösser: Der Neidschweiss der Jung-Genies, Wie man lernt, zum Schriftsteller zu werden: Nachrichten aus dem Inneren der Hildesheimer Schreibschule; [ich konnte den Artikel nicht online finden, für links bin ich dankbar]
Tags: junge literatur, Kreatives Schreiben, Kulturtagebuch, Schreiben, Schreibschule
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10.08.2007 um 17:13 Uhr
Ja, vom kreativen Schreiben hat man in Hildesheim wirklich eine Ahnung. Anders ist nicht zu erklären, warum es in der „Ordnung über den Nachweis einer künstlerischen Befähigung (…)“ (ein Witz für sich, diese „Ordnung“) unter §1(3) heißt: „Mindestens
ein Mitglied des Prüfungsausschusses muss zur selbständigen Lehre berechtigt
wein.“
Einfach mal unerwarteterweise ’nen Buchstaben austauschen, das ist schon kreativ!!
17.11.2007 um 13:14 Uhr
Die Aufnahme einzuschränken auf Menschen mit einer „besonderen künstlerischen Befähigung“ finde ich auch ziemlich bedenklich.
Wer wäre den fähig einen solchen Nachweis zu erbringen, oder noch fraglicher: zu bestätigen?
Wieviele, heute angesehene, Schriftsteller und andere Künstler, sind am Anfang ihrer Karriere oder sogar zur gesamten Lebzeit, als Dilettanten angesehen worden?
Wieviele Bücher musste zum Beispiel Stephen King schreiben, bevor er als „König des Horrors“ Einzug in die Bestsellerregale unserer Buchläden erhielt?
Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass die Ambition zu so einem Studiengang doch sehr lobenswert ist. In anderen Ländern sind sie heute schon Gang und Gäbe. In Deutschland dagegen muss man sich, um veröffentlichter Buchautor zu werden, alles von der Pike auf selbst beibringen.
Natürlich hat das auch seine Vorteile, aber wenn ich Nuklearphysiker werden möchte, fange ich ja auch nicht mehr damit an, mal auszuprobieren was passiert, wenn ich mich neben einen Brennstab stelle.
Also war es meiner Meinung nach langsam wirklich Zeit, dass so etwas eingeführt wird. Nur wie jeder Studiengang, der neu entsteht, gilt auch hier „Aller Anfang ist schwer“.
So bin ich wirklich gespannt, was vielleicht in zwei, fünf oder zehn Jahren daraus wird.
Außerdem ist wohl nicht zu befürchten, dass durch diese Entwicklung unsere Bücherregale mit mehr oder weniger „Schrott“ gefüllt werden, als bisher. Denn wer wirklich schreiben will (egal wie viel Talent er dazu nun besitzt), der wird sich auch nicht durch „kein Studiengang vorhanden“, oder noch so geringen Verdienstaussichten davon abhalten lassen.
Was Becker, Bohlen, Beckenbauer und Konsorten angeht, die „schreiben“ schon jetzt und werden sich auch nicht durch einen möglichen Studienabschluss davon abhalten lassen.
Kreative Grüße
Jacky 😉