Samstag, 05.05.2018 | 07:56 Uhr
Autor: Andreas Schröter
In seinem nach „Union Atlantic“ (2009) zweiten Roman widmet sich der US-amerikanische Schriftsteller Adam Haslett dem Thema Depression. „Stellt euch vor, ich bin fort“ heißt das Werk. Haslett begleitet eine Familie über viele Jahre, die damit klarkommen muss, dass sich Vater John wegen seiner psychischen Erkrankung das Leben genommen hat.
Reizvoll an diesem Buch ist, dass es abwechselnd und sehr glaubwürdig die unterschiedlichen Perspektiven der Familienmitglieder einnimmt. Da ist Sohn Michael, der ebenfalls mit starken Angststörungen leben muss. Er hat Schwierigkeiten, eine Frau und einen Job zu finden. Seinen beiden einzigen Interessen gelten der Funk-Musik und dem Schicksal der Schwarzen in den Zeiten der Sklaverei. Er ist sehr kreativ und fantasievoll, was sich immer dann im Roman widerspiegelt, wenn aus seiner Sicht berichtet wird.
Da ist Alec, der jüngere, homosexuelle Bruder Michaels, dessen Rolle sich im Laufe des Romans wandelt. In der Kindheit wird er von seinem älteren Bruder gemobbt, später ist er es, der versucht, Michael wieder auf Kurs zu bringen. Dafür riskiert er sogar die noch frische Beziehung zu seinem Freund Seth.
Und da sind natürlich die beiden Frauen der Familie – Mutter Margaret, die früher vor allem Streit mit ihrem Mann hatte, und die sportbegeisterte Tochter Celia. Ihre Parts nehmen jedoch nicht so viel Raum ein wie die von Michael und Alec.
Der Roman zeigt tiefgehende und genaue Innensichten auf die Krankheit Depression. Für alle, die selbst damit leben müssen oder Betroffene in ihrem Umfeld haben, dürfte er somit hochinteressant sein.
Für alle anderen Leser hat der Roman allerdings auch Längen, denn eine 460-seitige Beschäftigung mit der Depression ist naturgemäß größtenteils freudlos – auch wenn diverse Liebesgeschichten von Michael und Alec für willkommene Brüche sorgen.
Adam Haslett: Stellt euch vor, ich bin fort.
Rowohlt, Januar 2018.
464 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,95 Euro.
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