Donnerstag, 05.07.2018 | 12:44 Uhr
Autor: Christiane Geldmacher
Steven Amsterdams Buch ist das beste Beispiel für „Schreib über das, was du kennst“. Der Autor, geboren 1966 in New York, ist Palliativpfleger in Melbourne und sein Buch handelt von dem Tod auf Verlangen. Der Roman ist vielschichtig, hintergründig, entlarvend, mitunter zynisch, auf jeden Fall ambivalent. Wie könnte es auch anders sein bei dem Thema Selbsttötung? Wie der Protagonist selbst ist man als Leser dauernd am Ende seines Lateins.
Amsterdam spielt in „Einfach gehen“ alle Variationen des „assistierten Suizids“ durch. Du bist todkrank und hast nur noch ein paar Tage. Du bist todkrank und hast nur noch ein paar Wochen. Du bist todkrank und hast nur noch ein Jahr. Du bist gar nicht krank, aber dein Partner ist gestorben und du willst ihm folgen. In deinem Leben hat sich ein Kreis geschlossen, es geht dir wunderbar, du bist glücklich, besser kanns nicht werden, und es macht keinen Sinn für dich, noch eine Runde zu drehen, in der zudem ja jederzeit was schief gehen könnte. Man ist ja froh, wenn man in seinem Eckchen sitzt und seine Ruhe hat.
Dein Tod soll aber bitte schmerzlos sein. Du willst dir weder den Kopf wegschießen noch für die Nachwelt eine Sauerei anrichten. Das Wundermittel für den Übergang ins Paradies („Endlich Frieden“) heißt Nembutal: Man schläft einfach ein.
Bis dahin muss man erstmal die ganzen Formulare ausgefüllt haben, nicht einmal nicht zweimal, nein, wieder und immer wieder. Und lauter Leuten, die man mal mehr, mal weniger gut leiden kann, x-mal versichern, dass man, ja, sterben will. Ja! Der selbstbestimmte Tod als Lebensbejahung und Befreiung! Das Buch handelt von freien Menschen, die in den Freitod gehen.
„Einfach gehen“ ist voll feiner Beobachtungen und Charakterzeichnungen; ob das nun die (gechippte, damit sie nicht verlorengeht) Mutter des Protagonisten ist, seine gierigen Liebhaber oder die Suizidwilligen in der Klinik. Amsterdam schreibt über die Distanzierten gleichermaßen wie die Distanzlosen. Und über die Gesellschaft, die immer mehr den Blick aufs Wesentliche verliert, deren Zumutungen völlig unzumutbar sind.
Eine der besten Szenen spielt in einem Park. Protagonist Evan ist aus dem Krankenhaus geflogen, weil er bei einem assistierten und mit der Kamera dokumentierten Suizid nicht ordnungsgemäß vorgegangen ist. Er hat einen alten Mann, der den Becher mit dem Gift nicht mehr selbst halten konnte, „unterstützt“ und dem Becher Stabilität gegeben. Nach seinem Rauswurf bewirbt er sich bei einer freien Organisation („961 Freunde“), die auf all diese Formulare, diese Interviews und diesen üblichen Schnickschnack verzichtet: Wenn Menschen sterben wollen, fahren sie hin und lassen das Gift da. Ohne unnötigen Schnickschnack verläuft auch das Bewerbungsgesprächmit dem Profiler: Er stellt ein paar Fragen, überprüft nur kurz die Daten und verlangt nur Einsicht in Evans Smartphone, um seine Krankenakte und seinen Finanzstatus zu checken. Alles okay. Evan hat den Job. Es kann losgehen. Und zwar sofort.
Ein tolles Buch.
Steven Amsterdam, Einfach gehen. Aus dem Englischen übersetzt von Marianne Bohn, Unionsverlag Zürich 2018
Tags: Steven Amsterdam
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10.07.2018 um 23:49 Uhr
ups 😉
Alles klar, beste Lektüre für den Beach