Donnerstag, 23.08.2007 | 08:35 Uhr
Autor: Barbara Wenz
Mario Scheuermann, Pfälzer Weinnase, international renommierter Degustator, Journalist und Blogger, legt in dem solide und zurückhaltend aufgemachten Bändchen „Wein und Zeit“ eine Sammlung von neun Essays und Feuilletons u.a. für „Die Zeit“, „lettre international“ und diverse Fachmagazine vor, sowie bislang Unveröffentlichtes.
Scheuermann gibt sich und dem Leser Spielraum: Es geht ihm nicht um die großen Weine seines Lebens, sondern um den kulturgeschichtlichen Hintergrund des Weintrinkens, die dazugehörige Philosophie. Dass der Autor nicht allein über vinologischen Sachverstand verfügt, ist unser Glück: Wir begegnen Hafis und Hölderlin, Wurmlöchern und der String-Theorie, Weinkometen und Kometenweinen, Steinwein und Sandwein, Metaphysik und Mathematik.
Scheuermann trinkt konzentriert, professionell, aber schaut dabei über den Rand des Glases hinaus. Wer sich für Weinkultur und Weingeschichte interessiert, für Literatur und Philosophie und wer daneben schon immer einmal wissen wollte, wie sich ein Profi den Zugang zu einem herausragenden Wein erarbeitet – sagen wir besser, wie man über die Sinneswahrnehmungen Farbe, Geruch und Geschmack hinausgehend zu einer Weinmeditation gelangt –, der kann hier en passant vieles lernen. Herzstück des Bandes sind seine Überlegungen zu einer neuen „Mathematik des Weines“: Angelehnt an die antike Formel COS für color, odor, sapor – den drei Kriterien für die Beurteilung eines Weines anhand von Farbe, Geruch und Geschmack – übernimmt er die cpv-Methode aus Mathematik und Physik: Konstante c, Parameter p und Variable v des jeweiligen Weines zu beschreiben, den er gerade vor sich hat (im Buch anhand der Verkostung zweier Rieslinge von der Mosel, Weingut Sybille Kuntz, erklärt). Denn: „Alles ändert sich, nur manches ändert sich schneller und häufiger“. Warum das auch beim Wein gilt, liegt an den Variablen v: „das sind alle jene scheinbar ungeordneten, nicht beschreibbaren Interaktionen kleiner und kleinster Teilchen im Wein, in uns selbst und auf subatomarer Ebene auch zwischen Wein und Trinker, die in der Vereinnahmung und damit der Transsubstantiation [sic!] ihre Vollendung findet. Es ist die Zone des Übergangs von der Chemie zur Metaphysik“.
Wein (c), Winzer (p) und Trinker (v) spannen, jedenfalls bei herausragenden Weinen, ein gleichschenkliges Dreieck in der Zeit auf: Der Wein ist darin nicht nur Kunstwerk an sich ist, sondern auch Pforte der Wahrnehmung und Medium zugleich: auf sich selbst und darüber hinaus in die Zukunft verweisend.
Das klingt zu theoretisch? Dann öffnen Sie eine schöne Flasche Wein, legen Sie die Beine hoch und gehen Sie mit Mario Scheuermann auf eine vergnügliche Genussreise. Scheuermann schreibt kurzweilig und ohne den hippen Weinprofi-Slang des Zeitgeistes. Wie auch sein Buch eher geeignet ist für Leser, die nicht jedem neuesten Weintrend aus Übersee (oder hiesigen Gefilden) folgen müssen. Ausführliche Anmerkungen, ein Personenregister und eine weiterführende „dionysische“ Bibliothek runden den erfreulichen Eindruck des Büchleins ab.
Mario Scheuermann: Wein und Zeit. Die Kultur des Geniessens.
Hampp Verlag Stuttgart, September 2007
190 Seiten, Hardcover. ISBN-13:978-3-936682-21-2; 17,90 Euro.
info@hamppverlag.de
Scheuermanns Weinblogs:
drinktank; planet bordeaux
Tags: Essays, kunst, Leben, Literatur, Philosophie, Wein
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23.08.2007 um 16:49 Uhr
[…] der Teilnehmer. Für Literaturwelt. Das Blog habe ich ebenfalls eine kurze Rezension verfasst, die hier nachzulesen ist. […]
06.10.2007 um 21:47 Uhr
Ein gutes Buch! Ich finde aber Wein kann man sich nicht „erlesen“ !
Ein Weinseminar bringt da weit mehr!
24.11.2009 um 15:53 Uhr
Im 16 Jhd. war es für Frauen allgemein eine schwere Zeit, und trotzdem schaffte sie es die öffentliche Anerkennung zu erhalten und ihre Kunst, sogar international, zu verbreiten