Samstag, 26.10.2013 | 17:47 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Die Werke Ernest Hemingways (1899-1961) galten bisher als nicht optimal ins Deutsche übersetzt. Daran trägt der berühmte amerikanische Schriftsteller eine Mitschuld. Schon zu seinen Lebzeiten fragte der Rowohlt-Verlag an, ob er einer Neuübersetzung seiner Werke zustimmen wolle. Dafür sah der jedoch keinen Grund. Seine Bücher verkauften sich in Deutschland hervorragend so blieb Annemarie Horschitz-Horst über lange Zeit die einzige autorisierte Hemingway-Übersetzerin ins Deutsche.
Das hat sich geändert. Einige Bücher des Autors hat Werner Schmitz inzwischen komplett neu übersetzt. Dazu zählt nun auch das allererste Hemingway-Buch „Fiesta“, geschrieben im Jahre 1926. Und Schmitz gelingt es in ganz hervorragender Weise zu zeigen, wie aktuell dieser knapp 90 Jahre alte Text heute noch ist. Das gilt gleichermaßen für Sprache wie Inhalt – und das ist letztlich Merkmal für einen Klassiker. Das Buch handelt von einer Horde Männer, die eine attraktive Frau – Lady Brett Ashley – erst in Paris, dann beim Stierkampf in Pamplona wie die Motten umschwirren. Doch die Dame schenkt mal diesem, mal jenem ihre Gunst und macht auf diese Weise am Ende alle unglücklich. Der Alkohol fließt in Strömen, und so richtig nüchtern ist während des gesamten Buches niemand – man geht von einer Kneipe in die nächste und gibt das Geld mit vollen Händen aus. Würde man einige wenige zeitspezifische Details ändern (man mietet heute keine Wagen mehr mit Chauffeur), könnte Fiesta ein hervorragendes Porträt der heutigen so genannten „Spaßgesellschaft“ sein.
Aber der Roman geht – natürlich – tiefer: Ich-Erzähler Jack Barnes, den Hemingway mit einigen autobiografischen Details ausgestattet hat (beide arbeiten als Journalisten in Paris), ist nach einer Verletzung, die er im Ersten Weltkrieg erlitten hat, impotent. Und so lassen sich die Begeisterung zumindest dieser Figur für den Alkohol und den brutalen, aber emotionalen Stierkampf als schale Ersatzbefriedigungen für das eine lesen, das er nie erreichen kann: die körperliche Liebe zu einer Frau. Folgerichtig betrinkt er sich immer dann am heftigsten, wenn Brett in seiner Nähe und ihm zugetan ist. Hemingway selbst hat den Roman als „verdammt traurige Geschichte“ gesehen.
Für all diejenigen, die sich nun erstmals mit dem Werk eines der berühmtesten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts beschäftigen möchten, bietet dieses Buch einen optimalen Einstieg.
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Ernest Hemingway: Fiesta (1926).
Rowohlt, Juli 2013.
320 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,95 Euro.
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