Dienstag, 28.11.2006 | 18:20 Uhr

Autor: Christoph Mann

die negative Rubrik

ich bin mir nicht sicher, ob das korrekt ist. Vielleicht habe ich zuviel Respekt vor jedem, der es wagt und vollbringt, einen Roman zu schreiben. (und ich finde diesen Respekt nötig, aber ich möchte jetzt nicht dieses Zitat „Rezensenten sind wie Eunuchen…“ ausführen) Aber irgendwie…irgendwie muss es doch auch sein, dass ein Buch schlecht bewertet wird, auch wenn es einem leid tut. Nicht jeder Roman ist gut, das ist einfach so, auch wenn ein großer Teil Geschmackssache ist. Und dennoch…es muss doch objektive Kategorien geben. Und man muss doch auch warnen und sagen dürfen: „Finger weg davon“.

Außerdem kennt wohl jeder das Erlebnis, sich ein Buch zu kaufen, einfach so, spontan, für einen Moment den üblichen knickrigen geiz vergessen, sich von einer hübschen verpackung und aufmachung verführen lassen, und auf dem Buchrücken steht dann noch „Wolfram Fleischhauers mitreißenden Roman um Geheimbünde und Spione, um Medizin und Aufklärung habe ich in nur einer Nacht verschlungen“, aus der Brigitte zitiert, der wohl intellektuellsten Frauenzeitschrift Deutschlands…Naja, außerdem war es ein historischer Roman aus einer Zeit die mich sehr interessiert (~1780). und ich griff eben zu, warum auch nicht?

und dann, ich bin sicher, jeder hier kennt das auch, liest man einige seiten, und langsam dämmert eine enttäuschung rein, „das muss doch noch besser werden“, („bestimmt wird es das!“), und man liest weiter, aus reiner hartnäckigkeit („der clou kommt noch!Ich geb nicht auf“). Doch am Ende des Buches fragt man sich, warum man diese 400 und irgendwas Seiten gelesen hat, wo man doch seine Zeit in ein besseres Buch hätte investieren können, und das Fazit ist immer noch so wie nach 20 Seiten:

Wolfram Fleischhauer kann recht gut Spannung durch Andeutungen und Verschweigen aufbauen. Und er geht korrekt (wenn auch nicht fantasievoll) mit den Fakten um. Sein Ende ist sehr originell und überraschend, wenn auch denkbar unrealistisch (was nicht so richtig zu seinem ansonsten sehr, allzu sehr seriösen Schreibstil passen will).
Schön wärs, wenn ich die rezension hier beenden würde. Schön wärs, wenn so manche books-on-demand-Bücher auch so ein schönes Outfit und prominente lobe hätten. So aber muss doch jemand sagen, dass die brigitte nicht ganz recht hat: Fleischhauers Buch („das Buch in dem die Welt verschwand“ ist der Titel) langweilt durch eine unspektakuläre Sprache, derer sich eine bedienungsanleitung schämen würde, und die charaktere bleiben vollkommen fremd und oberflächlich, eine identifizierung mit ihnen ist wirklich unmöglich. Das kann auch eine Story, die „in Ordnung geht“ nicht ausgleichen….puuh, raus isses. Hütet euch vor dieser Verführung mit schönem Cover und Titel.

ach ja…wie steht ihr denn so zu „negativen Rezensionen“?

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5 Kommentare

  1. molosovsky Says:

    Eigentlich ist beides — Verriss und Hymne — nur dann ›wirklich‹ etwas wert, wenn die angeführten Behauptungen warum ein Werk gut oder schlecht ist, auch begründet wird. Nun ist aber 90% des nach Kunden und Aufmerksamkeit schürfenden Angebots für einen Einzelnen immer Schrott, weshalb man eben SEINEN jeweils individuellen Geschmack pflegt. Da es nun zumeist gar nicht so leicht ist, bei der Lektüreauswahl konstant innhalb des 10%-Bereiches zu bleiben, wo einem die Sachen prinzipiell gefallen, fällt es auch einfacher ist, Verrisse zu schreiben, denn schlechtes kommt uns öfter unter, dessen Beurteilung ist trainierter. Seltener können Menschen nicht in Worte fassen, warum sie etwas nun mal mau fanden, doch wenn die Menschen begeistert sind, verfallen sie schnell mal Infantilitäten.

    Lesen tu ich beides gern: Verrisse und Hymen. Schreiben tu ich ersteres nicht so gern (Niedermachen ist nicht mein Ding; kritisch umzirkeln dagegen schon).

  2. Serendipity Says:

    Konstruktive Kritik ist für mich der angebrachte Begriff. Ich habe nichts gegen eine Meinung, die die offensichtlichen und nicht so offensichtlichen Mängel und Schwächen eines Textes erläutert. Eine gute Kritik kann sowohl dem Autor als auch dem Leser für zukünftige Werke weiterhelfen. Allerdings sollte man seine Subjektivität beim Kritikausüben nie unterschätzen. Es gibt Werke, zu denen man persönlich vielleicht keinen Zugang findet, die aber gut geschrieben sind. Und es gibt solche, die in einem wachsen müssen, Bücher, die einem zuerst missfallen, deren Bilder einen aber nicht verlassen wollen. Und leider gibt es immer wieder Bücher, die aus einer Mode heraus geboren, ihren Weg in den Laden finden. Auch das sollte man anmerken können/dürfen/müssen.
    Seit ich selber schreibe, überlege ich mir jedoch genauer in welchem Ton ich eine Kritik äußere: es dauert ein paar Tage oder Wochen ein Buch zu lesen, aber in der Regel viele Monate/Jahre eines zu schreiben und ich unterstelle (fast) jedem Autor, dass er ‚versucht’ sein bestes zu geben.

  3. molosovsky (Alexander Müller) Says:

    Die Kunst des Lesers liegt darin, mehr als eine Lesehaltung zu kennen (oder eben — wie ich mir zu streben einbilde — eine so universelle Lesehaltung einzunehmen, wie sie die des Phantasten nun mal bietet): Ich lese Hebbel nicht mit der gleichen Haltung wie Dan Brown; Harry Potter nicht so wie ich Arno Schmidt lese, den Pipst (oder Popst) Ratzinger nicht so, wie ich Eco lese usw… — Das ganz große Gewirks beginnt ja damit, wenn Kritiker ausknöchern zu DEM 08/15-Meinungsverbreiter: Autor X ist IMMER mieß, Autor Y daegen hat Narrenfreiheit; und überhaupt ist Preußen (oder vergleichlich Folkloristisches) ganz super, a gibts hier und dort neue Bände, Bücher, Erinnerungen zu. Kann mir vorstellen, daß Kritiker mit Chamäleongeschick zu sein bedeutet, Abstriche beim Karrierestatus machen zu müssen, oder?

  4. Christoph Mann Says:

    werden nicht die Kritiker am berühmtesten, die am besten verreißen? (finde ich aber moralisch fragwürdig, so wie serendipity sagte, weil in einem Buch eben herzblut steckt, und die meisten es weder beruflich schreiben noch sich ne goldene nase verdienen)

    ich finde, eine rezension sollte aufzeigen, wen das Buch ansprechen könnte. Wenn ich zum Beispiel lesen würde „…ein tolles Buch über die Leiden eines 14-jährigen Mädchens.“ dann wüßte ich jetzt, dass es nichts für mich ist. Zum Beispiel (nix gegen 14jährige Mädchen), oder „…eine grandiose Darstellung vom inneren Frieden des einsamen Hugos mit seinem Wellensittich, die Elemente von Goethe und Flaubert verknüpft“ (obwohl…wer weiß :).

    Bei Musik ist das einfacher. Wenn Rapper inhaltlich nur sagen „ich bin der geilste, ich f’*** deine reime bevor sie auf die Bühne kommen“, dann ist es ziemlich sinnlos sich auf zwei Seiten zu beklagen, dass inhaltlich nicht über den Weltfrieden geredet wird. Es gibt eben leute, denen so was gefällt, und man sollte klarmachen, dass es nur denen gefällt.

    Aber, was ich auch finde, ist dass kritik angebracht ist, wenn ein buch zu unrecht gehypt wird. So wie der brigitte-Spruch, wo dann eine kritische gegendarstellung fällig ist.

  5. molosovsky (Alexander Müller) Says:

    Wobei hier die Frage ist, ob Kritik und Hype nicht zwei sehr unterschiedliche Paar Stiefel sind. Kritik reagiert auf Hype, macht Schaden gut (oder das ist zumindest eine der edlen Ambition der Kritik: gehaltvolle Kanonisierungen weiterhin zu ermöglichen jenseits von Schwarm-Neugieranklick-Top10. — Die Crux bei all dem liegt bei den Filterern; vom einzelnen (des Lesers, Autorers, Kritikers) bis zu den komplexeren, größeren und funktionalisierten (das was man eben so die verschiedenen Medien nennt).

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