Montag, 30.07.2007 | 17:52 Uhr
Autor: Christoph Mann
Manchmal ist überhaupt kein Vorteil, zu wissen, was man möchte. Man müsste nur das Wörtchen „vermeintlich“ hinzusetzen und die Rede auf die seit Jahrhunderten vielbeschworene „unruhige gegenwärtige Zeit“ lenken, und schon wird die scheinbar männliche Eigenschaft, zu wissen, was man möchte, vom schlagkräftigen Phallus zum unflexiblen Mallus.
Nur ein Beispiel, bitte!, als vielsagendes und typisches Exempel: Wenn eine Freundin von mir einen Frauenkochabend macht, dann wird über das Verhältnis der Geschlechter diskutiert, das Stichwort „create Gender“ läutet die hochkomplexe Frage ein, wie sie in dieser Gesellschaft ihre Rolle als Frau wahrnehmen und konstruieren wollen und sollen. Oder eine andere Freundin: Ihr spukt die Frage nach der Mutterrolle im Kopf herum – wobei der Mann keine Rolle spielt, weder ob er da ist noch was er darüber denkt. Wohlgemerkt: Wir Männer spielen in solchen Gedankengängen moderner Frauen kaum eine Rolle.
Und worüber debattieren wir nun selber, betrunken im Unterhemd auf dem Balkon den Regen anschauend? Ja, über Frauen, einfältig und einer tausendjährigen Tradition folgend: Tolle Wesen sagt der Verliebte, Nervtöter der quasi-Verheiratete, schmerzlich vermisst der Verlassene. Und Kinder? Niemals sagt der Eine (weil das Leben so schlecht ist), Garantiert mal, freut sich der Nächste, und der dritte schließlich macht dies von der richtigen Frau abhängig. Von einer Debatte kann nicht die Rede sein, so etwas nennt man Meinungsäußerung!
Nun, ich weiß immerhin (schädlicherweise?), worauf ich hinaus will: Die Diskussion über das Verhältnis der Geschlechter, die Fortführung unserer Namen und wohl auch die abstrakte Zukunft überhaupt ging längst in zarte Frauenhände über. Und so ist es kein Wunder, dass von Pädagoginnen etwa eine Koedukations-Debate geführt wird mit dem seit den 60er Jahren gültigen a priori, dass Mädchen benachteiligt werden. Obwohl doch alle Studien quer durch die Bank das Gegenteil sagen! Aber klar: gesellschaftliche Meinungsmache ist Politik und Politik ist Interessenvertretung, und wo kein Lobbyist auftritt gibt es auch keine Politik.
Doch da gibt es nun zwei Brüder, die diese unsere Interessen anpacken wollen, Supermann-Brothers quasi im beflissenen Sprachanzug des Journalismus: Stephan und Andreas Lebert. Beide Pressemänner mit den Würden der edelsten Meinungsimperien Deutschlands: Süddeutsche, Spiegel, Tagesspiegel und Zeit der erste, der Bruder Andreas ist Chefredakteur der Brigitte und konzipierte das Ressort Leben für die Zeit. Hochgradig journalistisch elitär das Unternehmen also, breitschultrige Sprachgewalt und hormongetränkte Seitenumbrüche sind zu erwarten. „Anleitung zum Männlichsein“, so der Titel ihres ich nenne es mal Essays zwischen Pappdeckeln. Ein Geschenk von wem natürlich? Klar, von meiner Mutter.
„Wir, die Autoren“, wie sie ihre Rolle immer wieder ins Gedächtnis zurückrufen, verfügen über ein grandioses Selbstvertrauen. Das erlaubt ihnen zwischen die harten Zeilen von Instruktionen für den modernen Mann Klatsch und Tratsch aus ihrem eigenen Leben einzufügen: Wir, die Autoren, in Italien, wir (die Autoren) im Berliner Cafe, Wir, d. A. und unser verstorbener Vater, w. d. A. und unsere lieben Freunde, anno dazumals geschah weißte noch Brüderchen wie lustig und denkwürdig…
Insgesamt wird in eine in eliquentem Stil vorgetragene Ansammlung vor allem von Portaits wahrer Mannsbilder und Schlappschwänzen eine aphoristische Anleitung zum Männlichsein eingeflochten: Männer schweigen zum richtigen Zeitpunkt, sie lösen ihre Probleme auf eigene Faust anstatt in Gemeinschaft, handeln ohne an die Konsequenzen zu denken, folgen gnadenlos der eigenen Lust, sind Abenteurer. Vater und Sohn haben ein für Frauen unbegehbares Terrain, Männer können die Welt für eine Beschäftigung ausblenden, sie haben den Mut zur Lächerlichkeit, und vor allem: Männer spielen (Frauen machen dies nie!?).
An dieser Stelle soll die Rezension abgebrochen werden. Denn die Meinung zum Thema, zu männlicher Identität, ist ein rein subjektiver kultureller Wattebüschel, und es bleibt jedem selbst überlassen, ob er ein Wettrüsten der Geschlechter notwendig findet oder nicht. Anleitung Nr. 1: Der Mann schweigt zum richtigen Zeitpunkt. Es bleibt nur festzustellen, dass die geschwätzigen Cocktail-Journalisten die eigenen Erwartungen der Männlichkeit zumindest mit diesem Buch nicht erfüllen: Zu sehr lassen sie ihrem Ausfluss intellektuellen Estrogens in Form von Klatsch freien Lauf und zu wenig gelingt es ihnen, den eigenen Lebenslauf auszublenden.
Tags: Lebert Geschlechter Gesellschaft Gender Journalismus Essay
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