Montag, 25.09.2006 | 18:40 Uhr

Autor: Odile

Nachlese zum 5. Lyrikfestival Basel vom 23. bis 24. September 2006

Nachlese zum 5. Lyrikfestival Basel vom 23. bis 24. September 2006

Unter dem Motto „Die Handschrift der Lyrik – das Unverwechselbare und das Unvergleichbare“ begann der Sonntagmorgen mit einer Podiumsdiskussion. Ulrike Draesner, Lutz Seiler und Roman Buecheli (Moderation) diskutierten, „wohin das Gedicht“ geht. Eine Frage, die schwer zu beantworten ist.
Die Handschrift der toten Dichter wurde anschliepend von verschiedenen Verlegern, Dichtern, Literaturwissenschaftlern präsentiert. Eine schöne Idee war es, ehemalige Freunde oder Bekannte der verstorbenen Dichter zu Wort kommen zu lassen, so dass jede Hommage einen toten Dichter (fast) wieder zum Leben erweckte. Hansjörg Schneider erinnerte in bewegenden Worten an Manfred Gilgen, den Basler Bettler-Dichter, Urs Allemann (zusammen mit Sebastian Kiefer, der als übereifriger Interpretant zuständig war) erinnerte in einer mitreißenden Lesung an Reinhard Priessnitz und empfahl dessen 44 Gedichte als eine Sammlung, von der man sein ganzes Leben lang etwas habe. Zuletzt erinnerten Ferdinand Schmatz und Wolfram Malte Fues an Wolfgang Bauer. Ein Akt wider das Vergessen.
Vom übrigen Programm sei noch einmal Wilhelm Bartsch (Dichter, Philosoph, ehemaliger Rinderzüchter) erwähnt. In Wilhelm Bartschs Gedichten scheint die Welt der Braunkohle in Form von Brikettwürmchen auf, es ist viel von Stollen die Rede, von unterirdischen Wanderungen in die „Zukunft tausend Meter tief“ und von irdischen Zimmerdecken, die Gelegenheit bieten zu Reflexionen über die „Zwischendecke DDR“, von „Gebrauchten Landschaften“, durch die die Verse zu gehen scheinen, „das Zifferblatt des Himmels durchmessend“. Wilhelm Bartsch endete mit den Verszeilen: „Wir hingen an der Welt an Füßen und Hufen“.
Erwähnt sei auch noch einmal William Cody Maher, der amerikanische Dichter und Performer, der die Gedichte aus seinem Buch „Geisterstadt“ mit unerhörter Intensität, wechselnd zwischen Sprechen und Gesang, präsentierte, im Wechsel mit Carl Weissner, der einige (andere als die von Cody auf Englisch performten) Gedichte las: in der von ihm verfassten deutschen Übersetzungen, mit rauchiger Bukowski-Stimme.
Ein Festival mit sehr variantenreichem Programm war das, eine interessante Konzeption, die den ZuhörerInnen allerdings einiges abverlangte: Gedichte non-stop. Veranstalter Jenny kündete für das nächste Jahr Pausen an;) – beachtlich, was er auf die Beine bzw. wen er auf die Bühne gestellt hat …
Das Basler Literaturfestival konnte nur dank einiger Sponsoren realisiert werden: hoffen wir, dass sie auch nächstes Jahr wieder diese Art von Kulturförderung betreiben werden.

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4 Kommentare

  1. meno Says:

    Komische Diskussion mit Lutz Seiler muss das gewesen sein, der seltsamerweise als Gespenst umgegangen sein. Ich habe ihn jedenfalls nicht gesehen, war er doch krankheitsbedingt ausgefallen. Gute Berichterstattung. Grüße aus Basel!

  2. meno Says:

    …umgegangen sein wird, wollte ich sagen. Und was ist ein Interpretant?

  3. Odile Says:

    ein Interpretant ist eigentlich sowas wie die Erklärung für ein Zeichen, ein Begriff aus der Semiotik
    aber ich hab das irgendwie spontan umgedeutet und den Begriff benutzt für einen, der den unwissenden Zuhörern Gedichte erklärt – genauer, als sie es jemals wissen wollten und als der dichter es sich je hätte erträumen lassen 😉

  4. Odile Says:

    ich meinte „träumen lassen“

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