Samstag, 26.05.2012 | 12:59 Uhr

Autor: Andreas Schröter

Karl Ove Knausgard: Lieben

Karl Ove Knausgard: »Lieben«Wer ein Buch des norwegischen Schriftstellers Karl Ove Knausgard liest, braucht einen langen Atem. Über hunderte von Seiten wechseln Alltagsbegebenheiten mit Selbstreflexionen, Erinnerungen und philosophischen Überlegungen ab. Handlung: weitgehend Fehlanzeige.

So auch in seinem neuesten in Deutschland erschienenen Werk „Lieben“, das den zweiten Teil seines monumentalen auf sechs Bände angelegten Autobiographieprojektes „Min Kamp“ bildet. Die deutsche Übersetzung „Mein Kampf'“ wird aus naheliegenden Gründen meist verschwiegen.

Knausgard, geboren 1968, stellt den Alltag mit seiner Frau und seinen drei Kindern in den Mittelpunkt dieses Bandes. Oft wundert man sich, mit welcher unglaublichen Langatmigkeit der Autor einfachste Begebenheiten wie etwa die Begrüßung von Gästen beschreibt. Ihm scheint komplett die Kunst des Weglassens zu fehlen, was aber einen wichtigen Teil des Wesens von Literatur ausmacht. Insofern hat dieses Buch keinen hohen literarischen Wert, wirkt in der vorliegenden Form eher wie eine ohne Konzept mal eben hingeschriebene Textfassung, die danach nie wieder überarbeitet wurde.

Auch eine irgendwie geartete Struktur oder die Unterteilung des knapp 800 Seiten langen Werks in Kapitel fehlt völlig. Viele Seiten kommen gänzlich ohne Absatz aus.

Dabei gibt es auch gute Ansätze: In den vielen kleinen Nervereien die der Ich-Erzähler im Alltag als Familienvater erdulden muss, werden sich sicherlich viele männliche Leser wiederfinden. Und obwohl Knausgard jegliche Selbstironie fehlt, entwickelt er in diesen Passagen oft – vielleicht nicht einmal bewusst – Humor.

Leserinnen dagegen könnten sich fragen, warum eigentlich nur Männer die „Babyrhythmik“ mit dem gemeinsamen Absingen von Kinderliedern als unter ihrer Würde ansehen. Insgesamt ist „Lieben“ eine einzige gigantische Selbstbespiegelung. Letztlich nicht empfehlenswert.
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Karl Ove Knausgard: Lieben.
Luchterhand, März 2012.
768 Seiten, Gebundene Ausgabe, 24,99 Euro .

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