Donnerstag, 08.12.2011 | 22:00 Uhr

Autor: Andreas Schröter

Jan Koneffke: Die sieben Leben des Felix Kannmacher

Jan Koneffke: »Die sieben Leben des Felix Kannmacher«Man fühlt sich an 1001 Nacht erinnert und an den Entwicklungs- und Schelmenroman. Eine lebenslange traurige Liebesgeschichte kommt genauso vor wie die Gräuel der Nazizeit und die Folterungen durch die Rote Armee. Jan Koneffkes „Die sieben Leben des Felix Kannmacher“ hat viele Facetten.

Der große rumänische Pianist Victor Marcu stellt den Deutschen Felix Kannmacher, ebenfalls Klavierspieler, als Erzieher für seine Tochter ein, um ihn vor den Nazis zu retten. Das Agreement funktioniert so lange, bis sich die Tochter in ihren Lehrer verliebt. Eifersüchtig entlässt Marcu seinen Angestellten, so dass Kannmacher fortan auf sich allein gestellt ist. Schlimm wird es für ihn, als die Nazis Bukarest besetzen, schlimmer, als das Land an die Russen fällt …

Obgleich das Buch durchaus (schwarz-)humorige Züge hat – beispielsweise wenn der Titelheld dem Tod immer wieder oft auf dramatischste Weise von der Schippe springt -, bleibt dem Leser das Lachen im Halse stecken. Zu grausam ist das, was Felix Kannmacher und die Seinen durch die verschiedenen Gewalt- und Schreckensherrschaften im 20. Jahrhundert ertragen müssen.

Jan Koneffke, geboren 1960, beweist mit diesem Werk auch sein Talent für die kleine Form. Immer wieder lässt er seinen Helden Geschichten erfinden, um das ihm anvertraute Kind bei Laune zu halten. Diese kurzen, oft traurigen Einsprengsel erweisen sich als höchst lesenswert und unterhaltsam. In einer besonders schönen Geschichte geht es um einen goldenen 1000-jährigen Wal, der die Donau hinaufschwimmt und schließlich verendet, während sich die Menschen schon um seine goldene Haut balgen. Da stört es wenig, dass so etwas vom Hauptplot ablenkt und den Lesefluss bremst.

Kleiner Schwachpunkt ist der Anfang. Die ersten 100 Seiten lesen sich im Vergleich zum starken Rest etwas zäh. Man braucht ein wenig, um in diesen 500-Seiten-Roman hineinzufinden. Doch wer Jan Koneffkes Hang zum Drama und zu großen Gefühlen teilt und wer bereit ist, sich auf eine Lesereise zu begeben, die nicht immer gradlinig, sondern eher wie ein mäandernder Fluss verläuft, der wird dieses Buch mögen.

Übrigens: In einem früheren Roman Jan Koneffkes, „Eine nie vergessene Geschichte“ (2008), taucht ebenfalls eine Figur namens Felix Kannmacher auf. Teils nimmt das aktuelle Buch Bezug auf die Geschehnisse dieses Werks. Gelesen haben muss man den älteren Roman jedoch nicht, um den neueren zu verstehen.
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Jan Koneffke: Die sieben Leben des Felix Kannmacher.
Dumont, August 2011.
507 Seiten, gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.

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