Mittwoch, 02.05.2007 | 07:28 Uhr

Autor: Andreas Schröter

DBC Pierre: Bunny und Blair

DBC Pierre: »Bunny und Blair« DBC Pierre ist im Jahre 2003 quasi über Nacht zu einem der weltweit angesagtesten Autoren geworden. Dafür hat nicht nur sein zweifellos grandioser Erstling „Jesus von Texas“ gesorgt, sondern auch die Biographie des Autors, der eigentlich Peter Warren Finlay heißt. Er war – so wird’s kolportiert – drogen- und spielsüchtig, hatte 100.000 Dollar Schulden und wurde in Mexiko-Stadt angeschossen. Dann begann er mit dem Schreiben und landete gleich einen Mega-Erfolg, mit dem er sogar den renommierten Booker-Preis gewann – vom Tellerwäscher zum Millionär. D.B.C. steht passenderweise für „Dirty but Clean“.

Reichlich große Fußstapfen für seinen zweiten Roman „Bunny und Blair“ (im Original „Ludmila’s Broken English“), der jetzt im Aufbau-Verlag erschien. Doch DBC Pierre nimmt die Hürde: „Bunny und Blair“ ist witzig, skurril und abgedreht, eine schrille Achterbahnfahrt des Grotesken, ein modernes in vielen Farben schillerndes Märchen. Es geht um die siamesischen Zwillige Bunny und Blair, die im Alter von 33 Jahren getrennt werden und fortan versuchen, all das an verlorenem Leben nachzuholen, was ihnen das jahrzehntelange Dahinvegetieren in einem Heim verwehrte. Dabei ist Blair die Triebfeder, während sich der kränkliche Bunny ins beschützende Heim zurücksehnt. Dass ihr neues Dasein nicht ohne Probleme verläuft, liegt auf der Hand.

Ein zweiter Erzählstrang widmet sich der kaukasischen Schönheit Ludmilla, die – ausgestattet mit einem sehr losen Mundwerk – versucht, ihrem fiktiven in einen Bürgerkrieg verstrickten Land Ublilsk und ihrer bäuerlich-schrecklichen Familie zu entkommen. Ihr Foto gerät auf eine leicht dubiose Internetseite. Blair am anderen Ende der Welt verliebt sich in das Bild und macht sich mit seinem Bruder auf den Weg von London in den Kaukasus. Und so kommen die beiden Erzählstränge auf Seite 300 etwa (von 390) endlich zusammen.

Sowohl die Zwillinge als auch die Kaukasier streiten sich permanent untereinander. Damit geht DBC Pierre ein gewisses Risiko ein: Was die einen Leser als sprühende Wortkaskaden voller Witz und Originalität empfinden mögen, könnte andere wegen der ständigen Wiederholung nerven. So bedienen sich vor allem die Kaukasier der immer gleichen Satzwendungen: „Mach die Futterluke dicht“ – „Ich schlage gleich etwas zu Brei, das Deinem Gesicht zum Verwechselm ähnlich sieht“. DBC Pierre steht – und das ist seit „Jesus von Texas“ bekannt – auch für eine deftige Ausdrucksweise.

Das Ende, über das hier keine Details verraten werden sollen, setzt an originellen Wendungen – aber auch an Brutalität – allem die Krone auf. Es ließe ich auch in bunten Farben gezeichnetes Comic denken. Und wenn es verfilmt würde, so müsste Quentin Tarantino wie in „Pulp Fiction“ der Regisseur sein.

Wer auf skurril-aberwitzige Geschichten steht, die sich selbst nicht allzu ernst nehmen, der sollte „Bunny und Blair“ lesen.
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DBC Pierre: Bunny und Blair.
Aufbau-Verlag, Berlin, Februar 2007.
396 Seiten, Hardcover.

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