Dienstag, 27.03.2012 | 08:48 Uhr

Autor: Andreas Schröter

Andrea de Carlo: Sie und Er

Andrea de Carlo: »Sie und Er«Kriegen sie sich, oder kriegen sie sich nicht? Dass man aus dieser klassischen Liebesroman-Fragestellung einen hochspannenden Thriller schreiben kann, beweist Andrea de Carlo mit seinem 644-Seiten-Wälzer „Sie und Er“. Doch dem 1952 geborenen Italiener gelingt weitaus mehr: eine psychologisch bis ins feinste Detail stimmige Beschreibung des Jahrmillionen alten Zaubers aus Anziehung und Abstoßung, dem Liebende seit je her ausgesetzt sind.

„Sie“, das ist die sportliche Clare Moletto, die mit einem spießigen Mailänder Anwalt liiert ist. Der nennt sie lieber Chiara, weil er sich für seine Freundin einen italienischen Namen wünscht, und plant den Kauf einer gemeinsamen Wohnung. Ganz italienisches Klischee hängt er sehr an seiner Mutter. „Er“, das ist der erfolgreiche Schriftsteller Daniel Deserti mit derzeitiger Schreibblockade und Alkoholproblem – ein Bilderbuch-Macho. Clare und Daniel treffen sich unter ungünstigsten Umständen. Er fährt im betrunkenen Zustand viel zu schnell, weil er sich ein Autorennen mit einem anderen Fahrer geliefert hat, verliert die Kontrolle über seinen Wagen und rauscht dem Wagen Clares und ihres Freundes in die Rückfront. Erst viele hundert Seiten später werden die beiden sich zum ersten Mal in die Arme fallen. Clare muss sich zuvor noch den Besitzansprüchen ihres Freundes erwehren, und Daniel hat unter anderem seine Kinder aus einer früheren Ehe zu Gast, mit denen er nur unbefriedigend zurechtkommt.

Klar, reduziert man diese Geschichte auf ihre nackte Grundhandlung, dann hat sie große Ähnlichkeit mit einem Groschenheft a la „Julia“ oder „Arztroman“. Doch auf das Wie kommt es an: Andrea de Carlo gelingt es auf äußerst glaubhafte und beeindruckende Weise, kleinste Stimmungsschwankungen seiner beiden Hauptfiguren auszuloten. Und das hat dann rein gar nichts mehr mit Kitsch zu tun, sondern ist einfach nur große Literatur. Allein das Ende ist vielleicht dann doch ein wenig zu dick aufgetragen. Trotzdem bleibt „Sie und Er“ ein ausgesprochen starker Roman.
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Andrea de Carlo: Sie und Er.
Diogenes, Februar 2012.
644 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,90 Euro.

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